Kreisler singt Kreisler
„Das ist die Tochter – das kann ja nichts sein!“
„Das ist die Tochter – das muss ja was sein!“
„Das ist die Tochter – die wurde natürlich hier hochgehievt!“
So ärgerlich mir immer wieder aufs Neue diese so oft gehörten und öfter noch erfühlten vorgefassten Meinungen meines Publikums sind – sogar ich selbst ertappe mich immer wieder bei so ziemlich denselben Gedanken, wenn ich irgendwo Plakate von Auftritten anderer berühmter Künstler–Kinder sehe.
Es scheint ein Reflex zu sein.
Obwohl ich natürlich aus eigener Erfahrung nur allzu gut weiß: Was für ein Quatsch!
Man kann natürlich die Liebe zu einer bestimmten Tätigkeit erben, sogar die Begabung und selbstverständlich kann man auch ein gewisses Fachwissen von den Eltern erlernen – aber trotzdem braucht es noch sehr viel mehr, um eine Arbeit wirklich gut zu machen. Das ist bei jeder Arbeit so, und ebenso – vielleicht sogar noch mehr – bei einer Künstlerischen.
Wenn der Sohn eines Tischlers Tische baut, baut er seine eigenen. Auch wenn das Kind das Handwerk vom Vater gelernt hat – die Tische des Sohnes brauchen ihre eigene Stabilität, sonst kauft sie keiner.
Bei Liedern ist es noch mal ein wenig anders, denn jedes Lied ist ein ganz eigener Kosmos, und nur weil man Eines gut singen kann, stimmt das noch lange nicht für jedes Lied. Und jedes einzelne Lied muss neu gelernt werden, zu eigen gemacht werden – egal, wer der Autor, wer der Komponist ist. Denn jetzt liegt das Lied in den Händen des Interpreten – und das ist einfach ein ganz eigener Arbeitsschritt.